Thromboinflammation und Komplementaktivierung bei aktivem Long Covid
Ein Forschungsteam um Onur Boyman und Carlo Cervia am Universitätsspital Zürich hat eine Publikation in der Zeitschrift Science veröffentlicht, in dem sie einen neuen Krankheitsmechanismus für die Long Covid Erkrankung beschreiben.
Eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus kann zu unterschiedlichen klinischen Verläufen führen. Ein bedeutender Anteil der infizierten Personen erholt sich nach einer akuten Covid-19 Erkrankung nicht und entwickelt langfristige Symptome, die als Long Covid bezeichnet werden. Die Erscheinungsformen von Long Covid können stark variieren, wobei die am häufigsten berichteten Beschwerden Müdigkeit, Intoleranz gegenüber körperlicher Anstrengung, Atemnot und geistige Beeinträchtigungen sind. Die Gründe und Krankheitsmechanismen für diese anhaltenden Beschwerden sind bisher noch unbekannt. Auch gibt es keine diagnostischen Tests oder gezielten Behandlungen.
Die Forschenden begleiteten 113 Personen mit Covid-19 bis zu einem Jahr nach ihrer akuten Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus, sowie parallel dazu 39 gesunde Kontrollpersonen. Nach sechs Monaten hatten 40 der Personen mit Covid-19 aktive Long Covid Beschwerden. Die Forschenden analysierten mehr als 6‘500 Proteine im Blut der Studienteilnehmenden, welche sie sowohl während der akuten Covid-19-Erkrankung als auch 6 Monate später massen.
Die Erforschung der veränderten Proteine bestätigte, dass bei Long Covid ein Immunabwehrteil, das Komplementsystem genannt wird, aktiviert ist. Bei gesunden Personen hilft das Komplementsystem, Infektionen zu bekämpfen sowie beschädigte und infizierte Körperzellen zu beseitigen. Wenn danach das Komplementsystem nicht wieder in den Ruhezustand zurückkehrt, sondern aktiviert bleibt, kann es auch gesunde Körperzellen schädigen. Genau dies haben die Forschenden dies bei Personen mit aktiver Long Covid Krankheit beobachtet. Diese Personen hatten auch erhöhte Blutwerte für Schäden an verschiedenen Körperzellen sowie an roten Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutgefässen. Die Veränderungen deuteten auf ein Zusammenspiel von Proteinen des Komplementsystems hin, die an der Blutgerinnung, der Reparatur von Gewebeschäden und der Entzündung beteiligt sind. Personen mit Long Covid, die sich innerhalb von 6 Monaten von ihrer Erkrankung erholten, wiesen wieder normale Blutwerte auf. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz konnten die Forschenden eine Reihe von Blutmarkern auswählen, um eine aktive Long Covid Krankheit zu diagnostizieren.
Diese Studie zeigt, dass das Komplementsystem bei der Long Covid Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. Aktives Long Covid wird von einer Blutproteinsignatur begleitet, die durch eine erhöhte Komplementaktivierung und Thromboinflammation gekennzeichnet ist. Auch Gewebeverletzungen können komplementvermittelt sein und das Komplementsystem aktivieren. Weiter kann eine Komplementaktivierung durch Antigen-Antikörper-Komplexe, einschliesslich Autoantikörper und Antikörper gegen Herpesviren, sowie durch eine Wechselwirkung mit einem gestörten Gerinnungssystem ausgelöst werden. Die Erkenntnisse können verwendet werden, um eine bessere Diagnose und allenfalls gezieltere Therapien für Long Covid Betroffene zu entwickeln.