Agentenbasierte Verfolgung von Krankheitsausbreitung
Wir integrieren eine etablierte agentenbasierte Transportsimulation für die Schweiz mit einer Simulation der Pandemie-Ausbreitung. Ausserdem entwickeln wir eine Erweiterung, um die wöchentliche Dynamik, die Interaktionen von Haushalten sowie potenzielle Superspreader-Events zu berücksichtigen.
Hintergrund
Historisch wird die Ausbreitung von Infektionskrankheiten mit Compartment-Modellen simuliert, basierend auf Differenzialgleichungen, welche die Ausbreitungswege von Epidemien exakt nachbilden können. Allerdings gehen diese Gleichungsmodelle von einer gut durchmischten und homogenen Bevölkerung aus. Letzteres ist eine gravierende Einschränkung, vor allem bei gehäuften Ausbrüchen (Cluster). Agentenbasierte Modelle können diese Einschränkungen überwinden, indem sie bei der Simulation von Epidemien die Heterogenität individueller Merkmale – wie demographische Merkmale oder Vorerkrankungen und Verhaltensweisen – messbar machen.
Forschungsziele
Das Forschungsziel ist die Entwicklung neuer Merkmale in MATSim (Multi-Agent Transport Simulation), einer etablierten Plattform für die Entwicklung agentenbasierter Simulationen. Jeder Agent ist eine Person und Teil einer künstlichen Population, die für die Schweizer Bevölkerung steht. Dank der neuen Merkmale kann MATSim die Kopräsenz des Agenten in Fahrzeugen und Gebäuden über mehrere Tage topologisch abbilden. Der Standort jedes Agenten wird mithilfe eines Wahrscheinlichkeitsmodells, das den Status seiner Kontakte berücksichtigt, fortlaufend aktualisiert. So können wir die Verbreitung des Virus verfolgen und analysieren. Das Ergebnis der Simulation bildet die Grundlage für die explizite Simulation der Infektionsketten: EpiSim
Erwartete Ergebnisse und Produkte
Wir wollen ein raum-zeitliches Modell entwickeln, das eine gesellschaftliche Perspektive integriert, und mit dem wir die Heterogenität der Bevölkerung sowie ihr Verhalten in der Pandemie korrekt abbilden können. Dieses Modell ermöglicht die Untersuchung von komplexen, räumlich heterogenen Strategien und eine Prognose ihrer Wirksamkeit. Die Ergebnisse sind auch für den Umgang mit anderen, potenziell pandemischen Krankheitserregern relevant. Unsere Arbeit steht allen Anspruchsgruppen über eine offene Plattform zur Verfügung. Sie liefert Prognosen zur aktuellen Pandemie, aber auch für verschiedene, von den Anwendern aufgrund der Simulationen ausgewählte Massnahmen und Strategien zur Eindämmung der Pandemie.
Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Pandemie
Zu den Vorhersagen, die für agentenbasierte Modelle sehr nützlich sein können, gehört die Prognose der Intensivbettenbelegung. Die längere Verweildauer von COVID-19-Patienten kann zu einer Überbelegung der Intensivstationen führen und erschwert die Abschätzung der möglichen Neuaufnahmen pro Tag. Im Mai 2020 war die durchschnittliche Verweildauer von COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen in der Schweiz erheblich länger als bei allen anderen Patienten, die 2019 auf Schweizer Intensivstationen behandelt wurden. Compartment- und agentenbasierte Modelle können bei der Beantwortung dieser Fragen helfen und sicherstellen, dass die Spitäler im Rahmen ihrer Bettenkapazität arbeiten.
Originaltitel
Agentenbasierte Verfolgung der Infektionsketten in einer Pandemie mithilfe dynamischer Modelle des Reiseverhaltens
Website zur NFP 78 Forschung